Vermischte Gedichte

Erste Sammlung

Morgenklagen

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O du loses, leidigliebes Mädchen,

Sag mir an, womit hab’ ich’s verschuldet,

Daß du mich auf diese Folter spannest,

Daß du dein gegeben Wort gebrochen?

Drucktest doch so freundlich gestern Abend

Mir die Hände, lispeltest so lieblich:

Ja, ich komme, komme gegen Morgen

Ganz gewiß, mein Freund, auf deine Stube.

Angelehnet ließ ich meine Thüre,

Hatte wohl die Angeln erst geprüfet,

Und mich recht gefreut, daß sie nicht knarrten.

Welche Nacht des Wartens ist vergangen!

Wacht’ ich doch und zählte jedes Viertel:

Schlief ich ein auf wenig Augenblicke,

War mein Herz beständig wach geblieben,

Weckte mich von meinem leisen Schlummer.

Ja, da segnet’ ich die Finsternisse,

Die so ruhig alles überdeckten,

Freute mich der allgemeinen Stille,

Horchte lauschend immer in die Stille,

Ob sich nicht ein Laut bewegen möchte.

„Hätte sie Gedanken wie ich denke,

Hätte sie Gefühl wie ich empfinde,

Würde sie den Morgen nicht erwarten,

Würde schon in dieser Stunde kommen.“

Hüpft’ ein Kätzchen oben über’n Boden,

Knisterte das Mäuschen in der Ecke,

Regte sich, ich weiß nicht was, im Hause,

Immer hofft’ ich deinen Schritt zu hören,

Immer glaubt’ ich deinen Tritt zu hören.

Und so lag ich lang’ und immer länger,

Und es fing der Tag schon an zu grauen,

Und es rauschte hier und rauschte dorten.

„Ist es ihre Thüre? Wär’s die meine!“

Saß ich aufgestemmt in meinem Bette,

Schaute nach der halb erhellten Thüre,

Ob sie nicht sich wohl bewegen möchte.

Angelehnet blieben beyde Flügel

Auf den leisen Angeln ruhig hangen.

Und der Tag ward immer hell und heller;

Hört’ ich schon des Nachbars Thüre gehen,

Der das Taglohn zu gewinnen eilet,

Hört’ ich bald darauf die Wagen rasseln,

War das Thor der Stadt nun auch eröffnet,

Und es regte sich der ganze Plunder

Des bewegten Marktes durch einander.

Ward nun in dem Haus ein Gehn und Kommen,

Auf und ab die Stiegen, hin und wieder

Knarrten Thüren, klapperten die Tritte;

Und ich konnte, wie vom schönen Leben,

Mich noch nicht von meiner Hoffnung scheiden.

Endlich, als die ganz verhaßte Sonne

Meine Fenster traf und meine Wände,

Sprang ich auf, und eilte nach dem Garten,

Meinen heißen, sehnsuchtsvollen Athem

Mit der kühlen Morgenluft zu mischen;

Dir vielleicht im Garten zu begegnen:

Und nun bist du weder in der Laube,

Noch im hohen Lindengang zu finden.

An seine Spröde

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Siehst du die Pomeranze?

Noch hängt sie an dem Baume,

Schon ist der März verflossen,

Und neue Blüthen kommen.

Ich trete zu dem Baume,

Und sage: Pomeranze,

Du reife Pomeranze,

Du süße Pomeranze,

Ich schüttle, fühl’, ich schüttle,

O fall’ in meinen Schooß.

Der Becher

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Einen wohlgeschnitzten vollen Becher

Hielt ich drückend in den beyden Händen,

Sog begierig süßen Wein vom Rande,

Gram und Sorg’ auf Einmal zu vertrinken.

Amor trat herein und fand mich sitzen,

Und er lächelte bescheidenweise,

Als den Unverständigen bedauernd.

„Freund, ich kenn’ ein schöneres Gefäße,

Werth die ganze Seele drein zu senken;

Was gelobst du, wenn ich dir es gönne,

Es mit anderm Nektar dir erfülle?“

O wie freundlich hat er Wort gehalten,

Da er, Lida, dich mit sanfter Neigung

Mir, dem lange sehnenden, geeignet!

Wenn ich deinen lieben Leib umfasse,

Und von deinen einzig treuen Lippen

Langbewahrter Liebe Balsam koste,

Selig sprech’ ich dann zu meinem Geiste:

Nein, ein solch Gefäß hat außer Amorn

Nie ein Gott gebildet noch besessen!

Solche Formen treibet nicht Vulcanus

Mit den sinnbegabten, feinen Hämmern!

Auf belaubten Hügeln mag Lyäus

Durch die ältste, klügste seiner Faunen

Ausgesuchte Trauben keltern lassen,

Selbst geheimnißvoller Gährung vorstehn:

Solchen Trank verschafft ihm keine Sorgfalt!

Nachtgedanken

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Euch bedaur’ ich, unglücksel’ge Sterne,

Die ihr schön seyd und so herrlich scheinet,

Dem bedrängten Schiffer gerne leuchtet,

Unbelohnt von Göttern und von Menschen.

Denn ihr liebt nicht, kanntet nie die Liebe!

Unaufhaltsam führen ew’ge Stunden

Eure Reihen durch den weiten Himmel.

Welche Reise habt ihr schon vollendet,

Seit ich weilend in dem Arm der Liebsten

Euer und der Mitternacht vergessen!

Ferne

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Königen, sagt man, gab die Natur vor andern Gebornen

Einen längern Arm und eine stärkere Faust;

Doch auch mir Geringen verlieh sie das fürstliche Vorrecht,

Denn ich fasse von fern, halte dich, Lida, mir fest.

An Lida

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Den einzigen, Lida, welchen du lieben kannst,

Forderst du ganz für dich und mit Recht.

Auch ist er einzig dein.

Denn, seit ich von dir bin,

Scheint mir des schnellsten Lebens

Lärmende Bewegung

Nur ein leichter Flor, durch den ich deine Gestalt

Immerfort wie in Wolken erblicke:

Sie leuchtet mir freundlich und treu,

Wie durch des Nordlichts bewegliche Strahlen

Ewige Sterne schimmern.

Nähe

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Wie du mir oft, geliebtes Kind,

Ich weiß nicht wie, so fremde bist,

Wenn wir im Schwarm der vielen Menschen sind,

Das schlägt mir alle Freude nieder.

Doch ja, wenn alles still und finster um uns ist,

Erkenn’ ich dich an deinen Küssen wieder.

Süße Sorgen

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Weichet, Sorgen, von mir! – Doch ach! den sterblichen Menschen

Lässet die Sorge nicht los, eh’ ihn das Leben verläßt.

Soll es einmal dann seyn; so kommt ihr, Sorgen der Liebe,

Treibt die Geschwister hinaus, nehmt und behauptet mein Herz!