Erklärung eines alten Holzschnittes vorstellend Hans Sachsens poetische Sendung

»In seiner Werkstatt …«

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WA I 16,121
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Erklärung eines alten Holzschnittes vorstellend Hans Sachsens poetische Sendung

In seiner Werkstatt Sonntags früh

Steht unser theurer Meister hie,

Sein schmutzig Schurzfell abgelegt,

Einen saubern Feyerwamms er trägt.

Läßt Pechdraht, Hammer und Kneipe rasten,

Die Ahl steckt an dem Arbeitskasten;

Er ruht nun auch am sieb’nten Tag

Von manchem Zug und manchem Schlag.

Wie er die Frühlings-Sonne spürt,

Die Ruh ihm neue Arbeit gebiert:

Er fühlt, daß er eine kleine Welt

In seinem Gehirne brütend hält,

Daß die fängt an zu wirken und leben,

Daß er sie gerne möcht von sich geben.

Er hätt ein Auge treu und klug,

Und wär auch liebevoll genug,

Zu schauen manches klar und rein,

Und wieder alles zu machen sein;

Hätt auch eine Zunge, die sich ergoß,

Und leicht und fein in Worte floß;

Deß thäten die Musen sich erfreun,

Wollten ihn zum Meistersänger weihn.

Da tritt herein ein junges Weib,

Mit voller Brust und rundem Leib,

Kräftig sie auf den Füßen steht,

Gar edel vor sich hin sie geht,

Ohne mit Schlepp und Steiß zu schwenzen,

Oder mit den Augen herum zu scharlenzen.

Sie trägt einen Maßstab in ihrer Hand,

Ihr Gürtel ist ein gülden Band,

Hätt auf dem Haupt einen Kornähr-Kranz,

Ihr Auge war lichten Tages Glanz;

Man nennt sie thätig Ehrbarkeit,

Sonst auch Großmuth, Rechtfertigkeit.

Die tritt mit gutem Gruß herein;

Er drob nicht mag verwundert seyn,

Denn wie sie ist, so gut und schön,

Meynt er, er hätt sie lang gesehn.

Die spricht: ich habe dich auserlesen,

Vor vielen in dem Weltwirrwesen,

Daß du sollst haben klare Sinnen,

Nichts ungeschicklichs magst beginnen.

Wenn andre durch einander rennen,

Sollst dus mit treuem Blick erkennen;

Wenn andre bärmlich sich beklagen,

Sollst schwankweis deine Sach fürtragen;

Sollst halten über Ehr und Recht,

In allem Ding seyn schlicht und schlecht,

Frummkeit und Tugend bieder preisen,

Das Böse mit seinem Nahmen heißen.

Nichts verlindert und nichts verwitzelt,

Nichts verzierlicht und nichts verkritzelt;

Sondern die Welt soll vor dir stehn,

Wie Albrecht Dürer sie hat gesehn,

Ihr festes Leben und Männlichkeit,

Ihre innre Kraft und Ständigkeit.

Der Natur Genius an der Hand

Soll dich führen durch alle Land,

Soll dir zeigen alles Leben,

Der Menschen wunderliches Weben,

Ihr Wirren, Suchen, Stoßen und Treiben,

Schieben, Reißen, Drängen und Reiben,

Wie kunterbunt die Wirthschaft tollert,

Der Ameishauf durcheinander kollert;

Mag dir aber bey allem geschehn,

Als thätst in einen Zauberkasten sehn.

Schreib das dem Menschenvolk auf Erden,

Obs ihm möcht eine Witzung werden.

Da macht sie ihm ein Fenster auf,

Zeigt ihm draußen viel bunten Hauf,

Unter dem Himmel allerley Wesen,

Wie ihrs mögt in seinen Schriften lesen.

Wie nun der liebe Meister sich

An der Natur freut wunniglich,

Da seht ihr an der andern Seiten

Ein altes Weiblein zu ihm gleiten;

Man nennet sie Historia,

Mythologia, Fabula;

Sie schleppt mit Keichen und wankenden Schritten

Eine große Tafel in Holz geschnitten;

Darauf seht ihr mit weiten Ermeln und Falten

Gott Vater Kinderlehre halten,

Adam, Eva, Paradies und Schlang,

Sodom und Gomorras Untergang,

Könnt auch die zwölf durchlauchtigen Frauen

Da in einem Ehren-Spiegel schauen;

Dann allerley Blutdurst, Frevel und Mord,

Der zwölf Tyrannen Schandenport,

Auch allerley Lehr und gute Weis.

Könnt sehn St. Peter mit der Gaiß,

Über der Welt Regiment unzufrieden,

Von unserm Herrn zurecht beschieden.

Auch war bemalt der weite Raum

Ihres Kleids und Schlepps und auch der Saum

Mit weltlich Tugend und Laster Geschicht.

Unser Meister das all ersicht

Und freut sich dessen wundersam,

Denn es dient sehr in seinen Kram.

Von wannen er sich eignet sehr

Gut Exempel und gute Lehr,

Erzählt das eben fix und treu,

Als wär er selbst gesyn dabey.

Sein Geist war ganz dahin gebannt,

Er hätt kein Auge davon verwandt,

Hätt er nicht hinter seinem Rucken

Hören mit Klappern und Schellen spucken.

Da thät er einen Narren spüren

Mit Bocks- und Affensprüng hofiren,

Und ihm mit Schwank und Narretheyden

Ein lustig Zwischenspiel bereiten.

Schleppt hinter sich an einer Leinen

Alle Narren, groß und kleinen,

Dick und hager, gestreckt und krumb,

All zu witzig und all zu dumb.

Mit einem großen Farrenschwanz

Regiert er sie wie ein’n Affentanz.

Bespöttet eines jeden Fürm,

Treibt sie ins Bad, schneidt ihnen die Würm,

Und führt gar bitter viel Beschwerden,

Daß ihrer doch nicht wollen wen’ger werden.

Wie er sich sieht so um und um,

Kehrt ihm das fast den Kopf herum,

Wie er wollt Worte zu allem finden?

Wie er möcht so viel Schwall verbinden?

Wie er möcht immer muthig bleiben,

So fort zu singen und zu schreiben?

Da steigt auf einer Wolke Saum

Herein zu’s Oberfensters Raum

Die Muse, heilig anzuschauen,

Wie ein Bild unsrer lieben Frauen.

Die umgiebt ihn mit ihrer Klarheit

Immer kräftig würkender Wahrheit.

Sie spricht: Ich komm um dich zu weihn,

Nimm meinen Segen und Gedeyhn.

Das heilig Feuer, das in dir ruht,

Schlag aus in hohe leichte Glut!

Doch daß das Leben, das dich treibt,

Immer bey holden Kräften bleibt;

Hab ich deinem innern Wesen

Nahrung und Balsam auserlesen,

Daß deine Seel sey wonnereich

Einer Knospe im Thaue gleich.

Da zeigt sie ihm hinter seinem Haus

Heimlich zur Hinterthür hinaus

In dem eng umzäunten Garten

Ein holdes Mägdlein sitzend warten

Am Bächlein, beym Hollunderstrauch;

Mit abgesenktem Haupt und Aug

Sitzt unter einem Apfelbaum

Und spürt die Welt rings um sich kaum,

Hat Rosen in ihren Schoos gepflückt

Und bindet ein Kränzlein sehr geschickt,

Mit hellen Knospen und Blättern drein:

Für wen mag wohl das Kränzel seyn?

So sitzt sie in sich selbst geneigt,

In Hoffnungsfülle ihr Busen steigt,

Ihr Wesen ist so ahndevoll,

Weiß nicht was sie sich wünschen soll,

Und unter vieler Grillen Lauf

Steigt wohl einmal ein Seufzer auf.

Warum ist deine Stirn so trüb?

Das was dich dränget, süße Lieb,

Ist volle Wonn’ und Seligkeit,

Die dir in Einem ist bereit,

Der manches Schicksal wirrevoll

An deinem Auge sich lindern soll;

Der durch manch wunniglichen Kuß

Wiedergeboren werden muß,

Wie er den schlanken Leib umfaßt,

Von aller Mühe findet Rast,

Wie er ins liebe Ärmlein sinkt,

Neue Lebenstäg und Kräfte trinkt.

Und dir kehrt neues Jugendglück,

Deine Schalkheit kehrt dir zurück.

Mit Necken und manchen Schelmereyen

Wirst ihn bald nagen, bald erfreuen.

So wird die Liebe nimmer alt,

Und wird der Dichter nimmer kalt!

Wie er so heimlich glücklich lebt,

Da droben in den Wolken schwebt,

Ein Eichkranz ewig jung belaubt

Den setzt die Nachwelt ihm aufs Haupt,

In Froschpfuhl all das Volk verbannt,

Das seinen Meister je verkannt.

Historisch überlieferte Fassungen

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In ſeiner Werkſtatt Sonntags früh
Steht unſer theurer Meiſter hie;
Sein ſchmutzig Schurzfell abgelegt,
Ein ſauber Feyerwamms er trägt,
Läßt Pechdrath, Hammer und Kneipe raſten,
Die Ahl ſteckt an den Arbeitskaſten;
Er ruht nun auch am ſiebenten Tag
Von manchem Zug und manchem Schlag.
Wie er die Frühlings-Sonne ſpürt,
Die Ruh ihm neue Arbeit gebiert;
Er fühlt, daß er eine kleine Welt
In ſeinem Gehirne brütend hält,
Daß die fängt an zu wurken und leben,
Daß er ſie gerne möcht von ſich geben.
Er hätt ein Auge treu und klug,
Und wär auch liebevoll genug
Zu ſchauen manches klar und rein
Und wieder Alles zu machen ſein;
Hätt’ auch eine Zunge die ſich ergoß
Und leicht und fein in Worte floß.
Deß thäten die Muſen ſich erfreuen,
Wollt’n ihn zum Meiſter-Sänger weyhen.
Da tritt herein ein junges Weib,
Mit voller Bruſt und rundem Leib;
Kräftig ſie auf den Füßen ſteht,
Grad, edel vor ſich hin ſie geht,
Ohne mit Schlepp und Steiß zu ſchwänzen,
Noch mit’n Augen rum zu ſcharlenzen,
Sie trägt einen Maasſtab in ihrer Hand,
Ihr Gürtel iſt ein güldin Band,
Hätt auf dem Haupt ein Kornährkranz
Ihr Aug war lichten Tages Glanz:
Man nennt ſie Thätig Ehrbarkeit,
Sonſt auch Großmuth, Rechtfertigkeit.
Die tritt mit gutem Gruß herein.
Er drob nicht mag verwundert ſeyn;
Denn wie ſie iſt, ſo gut und ſchön,
Meynt er, er hätt ſie ſchon lang geſen.
Die ſpricht: ich hab dich auserleſen
Vor vielen in dem Weltwirr-Weſen,
Daß du ſollſt haben klare Sinnen,
Nichts ungeſchicklichs magſt beginnen.
Wenn andre durch einander rennen,
Sollſt du’s mit treuem Blick erkennen:
Wenn Andre bärmlich ſich beklagen,
Sollſt Schwanckweis deine Sach fürtragen;
Sollſt halten über Ehr und Recht,
In allem Ding ſeyn ſchlicht und ſchlecht;
Frommkeit und Tugend bieder preiſen,
Das Bös mit ſeinem Nahmen heißen,
Nichts verzierlicht, und nichts verkrizzelt,
Nichts verlindert, und nichts verwitzelt!
Sondern die Welt ſoll vor dir ſtehn,
Wie Albrecht Dürer ſie hat geſehn;
Ihr feſtes Leben und Mannlichkeit,
Ihr inner Maas und Ständigkeit!
Der Natur-Genius an der Hand
Soll dich führen durch alle Land,
Soll dir zeigen all das Leben,
Der Menſchen wunderliches Weben,
Ihr Wirren, Suchen, Stoßen und Treiben,
Schieben, Reißen, Drängen und Reiben;
Wie kunterbunt die Wirthſchaft tollert,
Der Ameishauff durcheinander kollert!
Mag dir aber bey Allem geſchehn,
Als thätſt’s in ein’m Zauberkaſten ſehn.
Schreib das dem Menſchenvolk auf Erden,
Obs ihnen möcht zur Witzung werden!
Da macht ſie ihm ein Fenſter auf,
Zeigt ihm draußen viel bunten Hauff,
Unter dem Himmel allerley Weſen,
Wie ihr’s möcht in ſein’n Schriften leſen.
Wie nun der liebe Meiſter ſich
An der Natur freut inniglich,
Da ſeht ihr an der andern Seiten
Ein altes Weiblein zu ihm gleiten.
Man nennet ſie Hiſtoria,
Mythologia, Fabula.
Sie iſt rumpfet, ſtrumpfet, bucklet und krumb,
Aber eben ehrwürdig darumb.
Sie ſchleppt mit keuchend wankenden Schritten
Ein große Tafel in Holz geſchnitten;
Drauf ſeht ihr mit weiten Ermeln und Falten
Gott Vater Kinderlehre halten;
Adam, Eva, Paradeis und Schlang,
Sodom und Gomorrahs Untergang;
Könnt auch die Zwölf durchlauchtigen Frauen
Da in ein’m Ehrenſpiegel ſchauen.
Dann allerley Blutdurſt, Frevel und Mord,
Der Zwölf Tyrannen Schanden-Port:
Auch allerley Lehr und gute weis,
Könnt ſehen Sanct Peter mit der Geiß,
Ueber der Welt Regiment unzufrieden,
Von unſerm Herrn zurecht beſchieden.
Auch war bemahlt der weite Raum
Ihres Kleids und Schlepps und auch der Saum
Mit Weltlich Tugend und Laſtergeſchicht.
Unſer Meiſter dies All erſicht,
Und freut ſich deſſen wunderſam
Denn es dient wohl in ſeinen Kram.
Von wannen er ſich eignet ſehr
Gut Exempel und gute Lehr;
Erzählt das Alles fix und treu
Als wär er ſelbſt geſyn dabey.
Sein Geiſt was ganz dahin gebannt,
Er hett kein Aug davon verwandt,
Hätt er nicht hinter ſeinem Rucken
Hören mit Klappern und Schellen ſpucken.
Da thut er einen Narren ſpüren
Mit Bocks- und Affen-Sprüngen hofieren,
Und ihm mit Schwanck und Narretheiden
Ein luſtig Zwiſchenſpiel bereiten;
Schleppt hinter ſich an einer Leinen
Alle Narren, Großen und Kleinen,
Dick und hager, geſtreckt und krumb,
Allzuwitzig und allzudumb.
Mit einem großen Farrenſchwanz
Regiert er ſie wie e’n Affentanz;
Beſpottet eines jeden Fürm,
Treibt ſie ins Bad, ſchneidt ihnen die Würm
Und führt gar bitter viel Beſchwehrden,
Daß ihr doch nie wöll’n minder werden.
Wie er ſich ſieht ſo um und um,
Kehrt ihm das faſt den Kopf herum,
Wie er möcht Worte zu allem finden,
Wie er möcht ſoviel Schwall verbinden,
Wie er möcht immer muthig bleiben
Das All zu ſingen und zu ſchreiben.
Da ſteigt auf einer Wolke Saum
Herein zu’s Oberfenſters Raum
Die Muſe, heilig anzuſchau’n
Wie ’n Bild unſrer lieben Frau’n.
Die umgiebt ihn mit ihrer Klarheit
Immer kräftig würkender Wahrheit,
Sie ſpricht: ich komm um dich zu weyhn,
Nimm meinen Seegen und Gedeyhn!
Das heilig Feuer das in dir ruht
Schlag aus in hohe lichte Glut!
Doch daß das Leben das dich treibt
Immer bey holden Kräften bleibt,
Hab ich deinem innern Weſen,
Nahrung und Balſam auserleſen,
Daß deine Seel ſey wonnereich
Einer Knoſpe im Thaue gleich.
Da zeigt ſie ihm hinter ſeinem Haus,
Heimlich zur Hinterthür hinaus
In dem eng umzaunten Garten
Ein holdes Mägdlein ſitzend warten.
Am Bächlein beym Hollunderſtrauch;
Mit abgeſenktem Haupt und Aug
Sitzt’s unter einem Apfelbaum
Und ſpührt die Welt ringsum ſich kaum;
Hat Roſen in ihr’n Schoos gepflückt
Und bindet ein Kränzlein gar geſchickt
Mit hellen Knoſpen und Blättern drein.
Für wen mag wohl das Kränzel ſeyn?
So ſitzt ſie in ſich ſelbſt geneigt,
In Hofnungsfüll ihr Buſen ſteigt;
Ihr Weſen iſt ſo ahndevoll,
Weiß nicht was ſie ſich wünſchen ſoll,
Und unter vieler Grillen Lauf
Steigt wohl einmal ein Seufzer auf.
Warum iſt deine Stirn ſo trüb?
Das was dich dränget, ſüſſe Lieb,
Iſt volle Wonn und Seligkeit
Die einem in dir iſt bereit,
Der manches Schickſaal wirrevoll
An deinem Aug ſich lindern ſoll;
Der durch manch wunniglichen Kuß
Wiedergebohren werden muß.
Wie er den ſchlanken Leib umfaßt,
Von aller Müh er findet Raſt;
Wie er ins runde Aermlein ſinkt
Neue Lebenstäg und Kräfte trinkt;
Und dir kehrt ſüſſes Jugend-Glück,
Deine Schalkheit kehrt dir zurück.
Mit Necken und manchen Schelmereyn
Wirſt ihn bald nagen bald erfreun:
So wird die Liebe nimmer alt
Und wird der Dichter nimmer kalt!
Weil er ſo heimlich glücklich lebt,
Da droben in den Wolken ſchwebt
Ein Eichenkranz, ewig jung belaubt,
Den ſetzt die Nachwelt ihm aufs Haupt;
In Froſchpfuhl all das Volk verbannt
Das ſeinen Meiſter je verkannt.

Erklärung eines alten Holzschnittes, vorstellend Hans Sachsens Poetische Sendung.

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In seiner Werkstatt Sonntags früh
Steht unser theurer Meister hie:
Sein schmutzig Schurzfell abgelegt,
Ein sauber Feyerwamms er trägt,
Läßt Pechdrath, Hammer und Kneipe rasten,
Die Ahl steckt an den Arbeitskasten;
Er ruht nun auch am siebenten Tag
Von manchem Zug und manchem Schlag.
Wie er die Frühlings-Sonne spürt,
Die Ruh ihm neue Arbeit gebiert;
Er fühlt, daß er eine kleine Welt
In seinem Gehirne brütend hält,
Daß die fängt an zu würken und leben,
Daß er sie gerne möcht von sich geben.
Er hätt ein Auge treu und klug,
Und wär auch liebevoll genug
Zu schauen manches klar und rein
Und wieder Alles zu machen sein;
Hätt' auch eine Zunge die sich ergoß
Und leicht und fein in Worte floß.
Deß thäten die Musen sich erfreuen,
Wollt'n ihn zum Meister-Sänger weyhen.
Da tritt herein ein junges Weib,
Mit voller Brust und rundem Leib;
Kräftig sie auf den Füßen steht,
Grad, edel vor sich hin sie geht,
Ohne mit Schlepp und Steiß zu schwänzen,
Noch mit'n Augen rum zu scharlenzen,
Sie trägt einen Maasstab in ihrer Hand,
Ihr Gürtel ist ein güldin Band,
Hätt auf dem Haupt ein Kornährkranz
Ihr Aug war lichten Tages Glanz:
Man nennt sie Thätig Ehrbarkeit,
Sonst auch Großmuth, Rechtfertigkeit.
Die tritt mit gutem Gruß herein.
Er drob nicht mag verwundert seyn;
Denn wie sie ist, so gut und schön,
Meynt er, er hätt sie schon lang gesehn.
Die spricht: ich hab dich auserlesen
Vor vielen in dem Weltwirr-Wesen,
Daß du sollst haben klare Sinnen,
Nichts ungeschicklichs magst beginnen.
Wenn andre durch einander rennen,
Sollst du's mit treuem Blick erkennen:
Wenn Andre bärmlich sich beklagen,
Sollst Schwanckweis deine Sach fürtragen;
Sollst halten über Ehr und Recht,
In allem Ding seyn schlicht und schlecht;
Frommkeit und Tugend bieder preisen,
Das Bös mit seinem Nahmen heißen,
Nichts verzierlicht, und nichts verkrizzelt,
Nichts verlindert, und nichts verwitzelt!
Sondern die Welt soll vor dir stehn,
Wie Albrecht Dürer sie hat gesehn;
Ihr festes Leben und Mannlichkeit,
Ihr inner Maas und Ständigkeit!
Der Natur-Genius an der Hand
Soll dich führen durch alle Land,
Soll dir zeigen all das Leben,
Der Menschen wunderliches Weben,
Ihr Wirren, Suchen, Stoßen und Treiben,
Schieben, Reißen, Drängen und Reiben;
Wie kunterbunt die Wirthschaft tollert,
Der Ameishauff durcheinander kollert!
Mag dir aber bey Allem geschehn,
Als thätst's in ein'm Zauberkasten sehn.
Schreib das dem Menschenvolk auf Erden,
Ob's ihnen möcht zur Witzung werden!
Da macht sie ihm ein Fenster auf,
Zeigt ihm draußen viel bunten Hauff,
Unter dem Himmel allerley Wesen,
Wie ihr's möcht in sein'n Schriften lesen.
Wie nun der liebe Meister sich
An der Natur freut inniglich,
Da seht ihr an der andern Seiten
Ein altes Weiblein zu ihm gleiten.
Man nennet sie Historia,
Mythologia, Fabula.
Sie ist rumpfet, strumpfet, bucklet und krumb,
Aber eben ehrwürdig darumb.
Sie schleppt mit keuchend wankenden Schritten
Ein große Tafel in Holz geschnitten;
Drauf seht ihr mit weiten Ermeln und Falten
Gott Vater Kinderlehre halten;
Adam, Eva, Paradeis und Schlang,
Sodom und Gomorrahs Untergang;
Könnt auch die Zwölf durchlauchtigen Frauen
Da in ein'm Ehrenspiegel schauen.
Dann allerley Blutdurst, Frevel und Mord,
Der Zwölf Tyrannen Schanden-Port:
Auch allerley Lehr und gute weis,
Könnt sehen Sanct Peter mit der Geiß,
Ueber der Welt Regiment unzufrieden,
Von unserm Herrn zurecht beschieden.
Auch war bemahlt der weite Raum
Ihres Kleids und Schlepps und auch der Saum
Mit Weltlich Tugend und Lastergeschicht.
Unser Meister dies All ersicht,
Und freut sich dessen wundersam
Denn es dient wohl in seinen Kram.
Von wannen er sich eignet sehr
Gut Exempel und gute Lehr;
Erzählt das Alles fix und treu,
Als wär er selbst gesyn dabey.
Sein Geist was ganz dahin gebannt,
Er hett kein Aug davon verwandt,
Hätt er nicht hinter seinem Rucken
Hören mit Klappern und Schellen spucken.
Da thut er einen Narren spüren
Mit Bocks- und Affen-Sprüngen hofieren,
Und ihm mit Schwanck und Narretheiden
Ein lustig Zwischenspiel bereiten;
Schleppt hinter sich an einer Leinen
Alle Narren, Großen und Kleinen,
Dick und hager, gestreckt und krumb,
Allzuwitzig und allzudumb.
Mit einem großen Farrenschwanz
Regiert er sie wie e'n Affentanz;
Bespottet eines jeden Fürm,
Treibt sie ins Bad, schneidt ihnen die Würm
Und führt gar bitter viel Beschwehrden,
Daß ihr doch nie wöll'n minder werden.
Wie er sich sieht so um und um,
Kehrt ihm das fast den Kopf herum,
Wie er möcht Worte zu allem finden,
Wie er möcht soviel Schwall verbinden,
Wie er möcht immer muthig bleiben
Das All zu singen und zu schreiben.
Da steigt auf einer Wolke Saum
Herein zu's Oberfensters Raum
Die Muse, heilig anzuschau'n
Wie 'n Bild unsrer lieben Frau'n.
Die umgiebt ihn mit ihrer Klarheit
Immer kräftig würkender Wahrheit,
Sie spricht: ich komm um dich zu weyhn,
Nimm meinen Seegen und Gedeyhn!
Das heilig Feuer das in dir ruht
Schlag aus in hohe lichte Glut!
Doch daß das Leben das dich treibt
Immer bey holden Kräften bleibt,
Hab ich deinem innern Wesen,
Nahrung und Balsam auserlesen,
Daß deine Seel sey wonnereich
Einer Knospe im Thaue gleich.
Da zeigt sie ihm hinter seinem Haus,
Heimlich zur Hinterthür hinaus
In dem eng umzaunten Garten
Ein holdes Mägdlein sitzend warten.
Am Bächlein beym Hollunderstrauch;
Mit abgesenktem Haupt und Aug
Sitzt's unter einem Apfelbaum
Und spührt die Welt ringsum sich kaum;
Hat Rosen in ihr'n Schoos gepflückt
Und bindet ein Kränzlein gar geschickt
Mit hellen Knospen und Blättern drein.
Für wen mag wohl das Kränzel seyn?
So sitzt sie in sich selbst geneigt,
In Hofnungsfüll ihr Busen steigt;
Ihr Wesen ist so ahndevoll,
Weiß nicht was sie sich wünschen soll,
Und unter vieler Grillen Lauf
Steigt wohl einmal ein Seufzer auf.
Warum ist deine Stirn so trüb?
Das was dich dränget, süsse Lieb,
Ist volle Wonn und Seligkeit
Die einem in dir ist bereit,
Der manches Schicksaal wirrevoll
An deinem Aug sich lindern soll;
Der durch manch wunniglichen Kuß
Wiedergebohren werden muß.
Wie er den schlanken Leib umfaßt,
Von aller Müh er findet Rast;
Wie er ins runde Aermlein sinkt
Neue Lebenstäg und Kräfte trinkt;
Und dir kehrt süsses Jugend-Glück,
Deine Schalkheit kehrt dir zurück.
Mit Necken und manchen Schelmereyn
Wirst ihn bald nagen bald erfreun:
So wird die Liebe nimmer alt
Und wird der Dichter nimmer kalt!
Weil er so heimlich glücklich lebt,
Da droben in den Wolken schwebt
Ein Eichenkranz, ewig jung belaubt,
Den setzt die Nachwelt ihm aufs Haupt;
In Froschpfuhl all das Volk verbannt
Das seinen Meister je verkannt.
🚧
In ſeiner Werkſtatt Sonntagsfrüh
Steht unſer theurer Meiſter hie;
Sein ſchmuzig Schurzfell abgelegt,
Ein ſauber Feyerwamms er trägt,
Läßt Pechdrath, Hammer und Kneipe raſten,
Die Ahl ſteckt an den Arbeitskaſten;
Er ruht nun auch am ſiebenten Tag
Von manchen Zug und manchen Schlag.
Wie er die Frühlings-Sonne ſpürt,
Die Ruh ihm neue Arbeit gebiert;
Er fühlt, daß er eine kleine Welt
In ſeinem Gehirne hrütend hält,
Daß die fängt an zu würken und leben,
Daß er ſie gerne möcht von ſich geben.
Er hält ein Auge treu und klug,
Und wär auch liebevoll genug
Zu ſchauen manches klar und rein
Und wieder Alles zu machen ſein;
Hätt’ auch eine Zunge die ſich ergoß
Und leicht und fein in Worte floß.
Deß thaten die Muſen ſich erfreuen
Wollt’n ihn zum Meiſter-Sänger weyhen.
Da tritt herein ein iunges Weib,
Mit voller Bruſt und runden Leib;
Kräftig ſie auf den Füßen ſteht,
Grad edel, vor ſich hin ſie geht,
Ohne mit Schlepp und Steiß zu ſchwänzen,
Noch mit’n Augen rum zu ſcharlenzen,
Sie trägt einen Maasſtaab in ihrer Hand,
Ihr Gürtel iſt ein gülden Band,
Hätt auf dem Haupt ein Kornährkranz,
Ihr Aug war lichten Tages Glanz:
Man nennt ſie thätig Ehrbarkeit.
Sonſt auch Großmuth, Rechtfertigkeit,
Die tritt mit gutem Gruß herein.
Er drob nicht mag verwundert ſeyn;
Denn wie ſie iſt, ſo gut und ſchön,
Meynt er, er hätt ſie ſchon lang geſen.
Die ſpricht: ich hab dich auserleſen
Vor vielen in dem Weltwirr-Weſen,
Daß du ſollſt haben klare Sinnen,
Nichts Ungeſchicklichs magſt beginnen.
Wenn andre durch einander rennen
Sollſt du’s mit treuem Blick erkennen:
Wenn andre bärmlich ſich beklagen,
Sollſt Schwankweis deine Sach fürtragen;
Sollſt halten über Ehr und Recht,
In allem Ding ſeyn ſchlicht und ſchlecht;
Frommkeit und Tugend bieder preiſen,
Das Bös mit ſeinem Nahmen heißen,
Nichts verzierlicht, und nichts verkrizelt,
Nichts verlindert, und nichts verwitzelt!
Sondern die Welt ſoll vor dir ſtehn,
Wie Albrecht Dürer ſie hat geſehn:
Ihr feſtes Leben und Mannlichkeit,
Ihr inner Maas und Ständigkeit!
Der Natur-Genius an der Hand
Soll dich führen durch alle Land,
Soll dir zeigen all das Leben,
Der Menſchen wunderliches Weben,
Ihr Wirren, Suchen, Stoßen und Treiben,
Schieben, Reißen, Drängen und Reiben;
Wie kunterbunt die Wirthſchaft tollert,
Der Ameishauff durch einander kollert!
Mag dir aber bey Allem geſchehn,
Als thätſt’s in einem Zauberkaſten ſehn.
Schreib das dem Menſchenvolk auf Erden,
Ob’s ihnen möcht zur Witzung werden!
Da macht ſie ihm ein Fenſter auf,
Zeigt ihm draußen viel bunten Hauff,
Unter dem Himmel allerley Weſen,
Wie ihr’s möcht in ſein'n Schriften leſen.
Wie nun der liebe Meiſter ſich
An der Natur freut inniglich,
Da ſeht ihr an der andern Seiten
Ein altes Weiblein zu ihm gleiten.
Man nennet ſie Hiſtoria,
Mythologia, Fabula.
Sie iſt rumpfet, ſtrumpfet, bucklet und krumb,
Aber eben ehrwürdig darumb.
Sie ſchleppt mit keuchend wankenden Schritten
Ein große Tafel in Holz geſchnitten;
Drauf ſeht ihr mit weiten Ermeln und Falten
Gott Vater Kinderlehre halten;
Adam, Eva, Paradeis und Schlang,
Sodom und Gomorrahs Untergang;
Könnt auch die Zwölf durchlauchtigen Frauen
Da in ein'n Ehrenſpiegel ſchauen.
Dann allerley Blutdurſt, Frevel und Mord,
Der Zwölf Tyrannen Schanden-Port:
Auch allerley Lehr und gute weis,
Könnt ſehen Sanct Peter mit der Geiß,
Ueber der Welt Regiment unzufrieden,
Von unſerm Herrn zurecht beſchieden.
Auch war bemahlt der weite Raum
Ihres Kleids und Schlepps und auch der Saum
Mit Weltlich Tugend und Laſtergeſchicht.
Unſer Meiſter dies all erſicht,
Und freuet ſich deſſen wunderſam
Denn es dient wohl in ſeinen Kram.
Von wannen er ſich eignet ſehr
Gut Exempel und gute Lehr;
Erzählt das Alles fix und treu
Als wär er ſelbſt geſyn dabey.
Sein Geiſt was ganz dahin gebannt,
Er hett kein Aug davon verwandt,
Hätt er nicht hinter ſeinem Rukken
Hören mit Klappern und Schellen ſpucken.
Da thut er einen Narren ſpüren
Mit Bocks- und Affen-Sprüngen hofiren,
Und ihm mit Schwank und Narretheiden
Ein luſtig Zwiſchenſpiel bereiten;
Schleppt hinter ſich an einer Leinen
Alle Narren, Großen und Kleinen,
Dück und hager, geſtreckt und krumb,
Allzuwizig und allzudumb.
Mit einem großen Farrenſchwanz
Regiert er ſie wie e’n Affentanz;
Beſpottet eines ieden fürm,
Treibt ſie ins Bad, ſchneidt ihnen die Würm
Und führt gar bitter viel Beſchwerden,
Daß ihr doch nie wöll’n minder werden.
Wie er ſich ſieht ſo um und um,
Kehrt ihm das faſt den Kopf herum,
Wie er möcht Worte zu allem finden,
Wie er möcht ſoviel Schwall verbinden,
Wie er möcht immer muthig bleiben
Das All zu ſingen und zu ſchreiben.
Da ſteigt auf einer Wolke Saum
Herein zu’s Oberfenſters Raum
Die Muſe, heilig anzuſchau’n
Wie’n Bild unſrer lieben Frau’n
Die umgiebt ihn mit ihrer Klarheit
Immer kräftig würkender Wahrheit,
Sie ſpricht: ich komm um dich zu weyhn,
Nimm meinen Seegen und Gedeyhn!
Das heilig Feuer das in dir ruht
Schlag aus in hohe lichte Glut!
Doch daß das Leben das dich treibt
Immer bey holden Kräften bleibt,
Hab’ ich deinem innern Weſen,
Nahrung und Balſam auserleſen,
Daß deine Seel ſey wonnereich
Einer Knospe im Thaue gleich.
Da zeigt ſie ihm hinter ſeinem Haus,
Heimlich zur Hinterthür hinaus
In den eng umzäunten Garten
Ein holdes Mägdlein ſizend warten.
Am Bächlein beym Hollunderſtrauch;
Mit abgeſenktem Haupt und Aug
Sizt’s unter einem Apfelbaum,
Und ſpürt die Welt rings um ſich kaum;
Hat Roſen in ihr’n Schoos gepflückt
Und bindet ein Kränzlein gar geſchickt
Mit hellen Knospen und Blättern drein.
Für wen mag wohl das Kränzel ſeyn?
So ſizt ſie in ſich ſelbſt geneigt,
In Hoffnungsfüll ihr Buſen ſteigt;
Ihr Weſen iſt ſo ahndevoll,
Weiß nicht, was ſie ſich wünſchen ſoll,
Und unter vieler Grillen Lauf
Steigt wohl einmal ein Seufzer auf.
Warum iſt deine Stirn ſo trüb?
Das was dich dränget, ſüſſe Lieb,
Iſt volle Wonn und Seeligkeit
Die einem in dir iſt bereit,
Der manches Schickſal wirrevoll
An deinem Aug ſich lindern ſoll;
Der durch manch wunniglichen Kuß
Wiedergebohren werden muß.
Wie er den ſchlanken Leib umfaßt,
Von aller Müh er findet Raſt;
Wie er ins runde Aermlein ſinkt
Neue Lebenstäg und Kräfte trinkt;
Und dir kehrt ſüſſes Jugend-Glück,
Deine Schalkheit kehrt dir zurück.
Mit necken und manchen Schelmereyn
Wirſt ihn bald nagen bald erfreun:
So wird die Liebe nimmer alt
Und wird der Dichter nimmer kalt!
Weil er ſo heimlich glücklich lebt,
Da droben in den Wolken ſchwebt
Ein Eichenkranz, ewig iung belaubt,
Den ſezt die Nachwelt ihm aufs Haupt;
In Froſchpfuhl all das Volk verbannt
Das ſeinen Meiſter ie verkannt.

Erklärung.einesalten HolzschnittesvorstellendHans Sachsens poetische Sendung.

Zur synoptischen Ansicht wechseln

In seiner Werkstatt Sonntags früh
Steht unser theurer Meister hie,
Sein schmutzig Schurzfell abgelegt,
Einen saubern Feyerwamms er trägt.
Läßt Pechdraht, Hammer und Kneipe rasten,
Die Ahl steckt an dem Arbeitskasten;
Er ruht nun auch am sieb’nten Tag
Von manchem Zug und manchem Schlag.
Wie er die Frühlings-Sonne spürt,
Die Ruh ihm neue Arbeit gebiert:
Er fühlt, daß er eine kleine Welt
In seinem Gehirne brütend hält,
Daß die fängt an zu wirken und leben,
Daß er sie gerne möcht von sich geben.
Er hätt ein Auge treu und klug,
Und wär auch liebevoll genug,
Zu schauen manches klar und rein,
Und wieder alles zu machen sein;
Hätt auch eine Zunge, die sich ergoß,
Und leicht und fein in Worte floß;
Deß thäten die Musen sich erfreun,
Wollten ihn zum Meistersänger weihn.
Da tritt herein ein junges Weib,
Mit voller Brust und rundem Leib,
Kräftig sie auf den Füßen steht,
Gar edel vor sich hin sie geht,
Ohne mit Schlepp und Steiß zu schwenzen,
Oder mit den Augen herum zu scharlenzen.
Sie trägt einen Maßstab in ihrer Hand,
Ihr Gürtel ist ein gülden Band,
Hätt auf dem Haupt einen Kornähr-Kranz,
Ihr Auge war lichten Tages Glanz;
Man nennt sie thätig Ehrbarkeit,
Sonst auch Großmuth, Rechtfertigkeit.
Die tritt mit gutem Gruß herein;
Er drob nicht mag verwundert seyn,
Denn wie sie ist, so gut und schön,
Meynt er, er hätt sie lang gesehn.
Die spricht: ich habe dich auserlesen,
Vor vielen in dem Weltwirrwesen,
Daß du sollst haben klare Sinnen,
Nichts ungeschicklichs magst beginnen.
Wenn andre durch einander rennen,
Sollst dus mit treuem Blick erkennen;
Wenn andre bärmlich sich beklagen,
Sollst schwankweis deine Sach fürtragen;
Sollst halten über Ehr und Recht,
In allem Ding seyn schlicht und schlecht,
Frummkeit und Tugend bieder preisen,
Das Böse mit seinem Nahmen heißen.
Nichts verlindert und nichts verwitzelt,
Nichts verzierlicht und nichts verkritzelt;
Sondern die Welt soll vor dir stehn,
Wie Albrecht Dürer sie hat gesehn,
Ihr festes Leben und Männlichkeit,
Ihre innre Kraft und Ständigkeit.
Der Natur Genius an der Hand
Soll dich führen durch alle Land,
Soll dir zeigen alles Leben,
Der Menschen wunderliches Weben,
Ihr Wirren, Suchen, Stoßen und Treiben,
Schieben, Reißen, Drängen und Reiben,
Wie kunterbunt die Wirthschaft tollert,
Der Ameishauf durcheinander kollert;
Mag dir aber bey allem geschehn,
Als thätst in einen Zauberkasten sehn.
Schreib das dem Menschenvolk auf Erden,
Obs ihm möcht eine Witzung werden.
Da macht sie ihm ein Fenster auf,
Zeigt ihm draußen viel bunten Hauf,
Unter dem Himmel allerley Wesen,
Wie ihrs mögt in seinen Schriften lesen.
Wie nun der liebe Meister sich
An der Natur freut wunniglich,
Da seht ihr an der andern Seiten
Ein altes Weiblein zu ihm gleiten;
Man nennet sie Historia,
Mythologia, Fabula;
Sie schleppt mit Keichen und wankendenSchritten
Eine große Tafel in Holz geschnitten;
Darauf seht ihr mit weiten Ermeln und Falten
Gott Vater Kinderlehre halten,
Adam, Eva, Paradies und Schlang,
Sodom und Gomorras Untergang,
Könnt auch die zwölf durchlauchtigen Frauen
Da in inin einem Ehren-Spiegel schauen;
Dann allerley Blutdurst, Frevel und Mord,
Der zwölf Tyrannen Schandenport,
Auch allerley Lehr und gute Weis.
Könnt sehn St. Peter mit der Gaiß,
Über der Welt Regiment unzufrieden,
Von unserm Herrn zurecht beschieden.
Auch war bemalt der weite Raum
Ihres Kleids und Schlepps und auch derSaum
Mit weltlich Tugend und Laster Geschicht.
Unser Meister das all ersicht
Und freut sich dessen wundersam,
Denn es dient sehr in seinen Kram.
Von wannen er sich eignet sehr
Gut Exempel und gute Lehr,
Erzählt das eben fix und treu,
Als wär er selbst gesyn dabey.
Sein Geist war ganz dahin gebannt,
Er hätt kein Auge davon verwandt,
Hätt er nicht hinter seinem Rucken
Hören mit Klappern und Schellen spucken.
Da thät er einen Narren spüren
Mit Bocks- und Affensprüng hofiren,
Und ihm mit Schwank und Narretheyden
Ein lustig Zwischenspiel bereiten.
Schleppt hinter sich an einer Leinen
Alle Narren, groß und kleinen,
Dick und hager, gestreckt und krumb,
All zu witzig und all zu dumb.
Mit einem großen Farrenschwanz
Regiert er sie wie ein’n Affentanz.
Bespöttet eines jeden Fürm,
Treibt sie ins Bad, schneidt ihnen die Würm,
Und führt gar bitter viel Beschwerden,
Daß ihrer doch nicht wollen wen’ger werden.
Wie er sich sieht so um und um,
Kehrt ihm das fast den Kopf herum,
Wie er wollt Worte zu allem finden?
Wie er möcht so viel Schwall verbinden?
Wie er möcht immer muthig bleiben,
So fort zu singen und zu schreiben?
Da steigt auf einer Wolke Saum
Herein zu’s Oberfensters Raum
Die Muse, heilig anzuschauen,
Wie ein Bild unsrer lieben Frauen.
Die umgiebt ihn mit ihrer Klarheit
Immer kräftig würkender Wahrheit.
Sie spricht: Ich komm um dich zu weihn,
Nimm meinen Segen und Gedeyhn.
Das heilig Feuer, das in dir ruht,
Schlag aus in hohe leichte Glut!
Doch daß das Leben, das dich treibt,
Immer bey holden Kräften bleibt;
Hab ich deinem innern Wesen
Nahrung und Balsam auserlesen,
Daß deine Seel sey wonnereich
Einer Knospe im Thaue gleich.
Da zeigt sie ihm hinter seinem Haus
Heimlich zur Hinterthür hinaus
In dem eng umzäunten Garten
Ein holdes Mägdlein sitzend warten
Am Bächlein, beym Hollunderstrauch;
Mit abgesenktem Haupt und Aug
Sitzt unter einem Apfelbaum
Und spürt die Welt rings um sich kaum,
Hat Rosen in ihren Schoos gepflückt
Und bindet ein Kränzlein sehr geschickt,
Mit hellen Knospen und Blättern drein:
Für wen mag wohl das Kränzel seyn?
So sitzt sie in sich selbst geneigt,
In Hoffnungsfülle ihr Busen steigt,
Ihr Wesen ist so ahndevoll,
Weiß nicht was sie sich wünschen soll,
Und unter vieler Grillen Lauf
Steigt wohl einmal ein Seufzer auf.
Warum ist deine Stirn so trüb?
Das was dich dränget, süße Lieb,
Ist volle Wonn’ und Seligkeit,
Die dir in Einem ist bereit,
Der manches Schicksal wirrevoll
An deinem Auge sich lindern soll;
Der durch manch wunniglichen Kuß
Wiedergeboren werden muß,
Wie er den schlanken Leib umfaßt,
Von aller Mühe findet Rast,
Wie er ins liebe Aermlein Ärmlein sinkt,
Neue Lebenstäg und Kräfte trinkt.
Und dir kehrt neues Jugendglück,
Deine Schalkheit kehrt dir zurück.
Mit Necken und manchen Schelmereyen
Wirst ihn bald nagen, bald erfreuen.
So wird die Liebe nimmer alt,
Und wird der Dichter nimmer kalt!
Wie er so heimlich glücklich lebt,
Da droben in den Wolken schwebt,
Ein Eichkranz ewig jung belaubt
Den setzt die Nachwelt ihm aufs Haupt,
In Froschpfuhl all das Volk verbannt,
Das seinen Meister je verkannt.

Erklärung eines alten Holzschnittes vorstellend Hans Sachsens poetische Sendung.

Zur synoptischen Ansicht wechseln

In seiner Werckstatt Sonntags früh
Steht unser theurer Meister hie,
Sein schmutzig Schurzfell abgelegt
Einen saubern Feyerwamms er trägt.
Läßt Pechdrath, Hammer und Kneipe rasten,
Die Ahl steckt an dem Arbeitskasten,
Er ruht nun auch am siebten Tag
Von manchem Zug und manchem Schlag.
Wie er die Frühlings Sonne spürt,
Die Ruh ihm neue Arbeit gebiert:
Er fühlt daß er eine kleine Welt
In seinem Gehirne brütend hält,
Daß die fängt an zu würcken und leben
Daß er sie gerne möcht von sich geben.
Er hett ein Auge treu und klug
Und wär auch liebevoll genug
Zu schauen manches klar und rein,
Und wieder alles zu machen sein;
Hett auch eine Zunge die sich ergoß
Und leicht und fein in Worte floß;
Deß thäten die Musen sich erfreun,
Wollten ihn zum Meistersänger weihn
Da tritt herein ein junges Weib
Mit voller Brust und rundem Leib,
Kräftig sie auf den Füßen steht,
Grad edel vor sich hin sie geht,
Ohne mit Schlepp und Steiß zu schwenzen,
Oder mit den Augen herum zu scharlenzen.
Sie trägt einen Maasstab in ihrer Hand,
Ihr Gürtel ist ein gülden Band,
Hett auf dem Haupt einen Kornähr Kranz,
Ihr Auge war lichten Tages Glanz
Man nennt sie thätig Ehrbarkeit
Sonst auch Großmuth, Rechfertigkeit.
Die tritt mit gutem Gruß herein
Er drob nicht mag verwundert seyn,
Denn wie sie ist, so gut und schön,
Meynt er, er hett sie lang gesehn.
Die spricht , : ich habe dich auserlesen
Vor vielen in dem Weltwirrwesen,
Daß du sollst haben klare Sinnen,
Nichts ungeschicklichs magst beginnen.
Wenn andre durch einander rennen,
Sollst du’s mit treuem Blick erkennen;
Wenn andre bärmlich sich beklagen,
Sollst schwanckweiß deine Sach fürtragen;
Sollst halten über Ehr und Recht,
In allem Ding seyn schlicht und schlecht,
Frummkeit und Tugend bieder preisen
Das Böse mit seinem Nahmen heisen heissen .
Nichts verlindert und nichts verwitzelt,
Nichts verzierlicht und nichts verkritzelt,
Sondern die Welt soll vor dir stehn
Wie Albrecht Dürer sie hat gesehn,
Ihr festes Leben und Männlichkeit
Ihre innre Kraft und Ständigkeit.
Der Natur Genius an der Hand
Soll dich führen durch alle Land,
Soll dir zeigen alles Leben,
Der Menschen wunderliches Weben,
Ihr Wirren, Suchen, Stoßen und Treiben,
Schieben, Reisen, drängen und Reiben,
Wie kunterbunt die Wirthschaft tollert,
Der Ameishauf durcheinander kollert.
Mag dir aber bey allem geschehn
Als thätst in einen Zauberkasten sehn.
Schreib das dem Menschenvolck auf Erden
Obs ihm möcht eine Witzung werden.
Da macht sie ihm ein Fenster auf
Zeigt ihm draußen viel bunten Hauf,
Unter dem Himmel allerley Wesen,
Wie ihrs möcht in seinen Schriften lesen.
Wie nun der liebe Meister sich
An der Natur freut wunniglich,
Da seht ihr an der andern Seiten
Ein altes Weiblein zu ihm gleiten
Man nennet sie Historia,
Mythologia, Fabula,
Sie schleppt mit Keichen und wanckenden Schritten
Eine groß Ein große Tafel in Holz geschnitten
Darauf seht ihr mit weiten Ermeln und Falten
Gott Vater Kinderlehre halten,
Adam Eva Paradieß und Schlang
Sodom und Gomorras Untergang
Könnt auch die zwölf durchlauchtigen Frauen
Da in einem Ehren Spiegel schauen;
Dann allerley Blutdurst, Frevel und Mord . ,
Der zwölf Tyrannen Schandenport,
Auch allerley Lehr und gute Weiß.
Könnt sehn St Peter mit der Gaiß
Uber der Welt Regiment unzufrieden
Von unserm Herrn zurecht beschieden.
Auch war bemalt der weite Raum
Ihres Kleids und Schlepps und auch der Saum
Mit weltlich Tugend und Laster Geschicht.
Unser Meister das all ersicht
Und freut sich dessen wundersam
Denn es dient sehr in seinen Kram.
Von wannen er sich eignet sehr,
Gut Exempel und gute Lehr
Erzählt das eben fix und treu,
Als wär er selbst gesyn dabey.
Sein Geist war ganz dahin gebannt,
Er hett kein Auge davon verwandt,
Hett er nicht hinter seinem Rucken
Hören mit Klappern und Schellen spucken.
Da thet er einen Narren spüren
Mit Bocks und Affensprüng hofiren,
Und ihm mit Schwanck und Narretheyden
Ein lustig Zwischenspiel bereiten.
Schleppt hinter sich an einer Leinen
Alle Narren, groß und kleinen,
Dick und hager, gestreckt und krumb,
All zu witzig und all zu dumb.
Mit einem großen Farrenschwanz
Regiert er sie wie ein'n Affentanz,
Bespöttet eines jeden Fürm
Treibt sie in s Bad, schneidt ihnen die Würm,
Und führt gar bitter viel Beschwerden
Daß ihrer doch nicht wollen wen’ger werden.
Wie er sich sieht so um und um,
Kehrt ihm das fast den Kopf herum
Wie er wollt Worte zu allem finden?
Wie er möcht so viel Schwall verbinden?
Wie er möcht immer muthig bleiben
So fort zu singen und zu schreiben , ?
Da steigt auf einer Wolcke Saum
Herein zu s Oberfensters Raum
Die Muse, heilig anzuschauen
Wie ein Bild unsrer lieben Frauen.
Die umgiebt ihn mit ihrer Klarheit
Immer kräftig würckender Wahrheit.
Die Sie spricht: Ich komm um dich zu weihn,
Nimm meinen Segen und Gedeyhn.
Das heilig Feuer das in dir ruht
Schlag aus in hohe L lichte Glut!
Doch daß das Leben das dich treibt
Immer bey holden Kräften bleibt;
Hab ich deinem innern Wesen
Nahrung und Balsam auserlesen
Daß deine Seel sey wonnereich
Einer Knospe im Thaue gleich.
Da zeigt sie ihm hinter seinem Haus
Heimlich zur Hinterthür hinaus
In dem eng umzäunten Garten
Ein holdes Mägdli Mägdlein sitzend warten
Am Bächlein, beym Hollunderstrauch : ;
Mit abgesencktem Haupt und Aug
Sitzt unter einem Apfelbaum
Und spürt die Welt rings um sich kaum
Hat Rosen in ihren Schoos gepflückt
Und bindet ein Kränzlein sehr geschickt,
Mit hellen Knospen und Blättern drein:
Für wen mag wohl das Kränzel seyn?
So sitzt sie in sich selbst geneigt,
In Hoffnungsfülle ihr Busen steigt,
Ihr Wesen ist so ahndevoll
Weiß nicht was sie sich wünschen soll,
Und unter vieler Grillen Lauf
Steigt wohl einmal ein Seufzer auf
Warum ist deine Stirn so trüb?
Das was dich dränget, süße Lieb,
Ist volle Wonn und Seligkeit,
Die dir in Einem ist bereit
Der manches Schicksal wirrevoll
An deinem Auge sich lindern soll;
Der durch manch wunniglichen Kuß
Wiedergebohren werden muß;
Wie er den schlancken Leib umfaßt
Von aller Mühe findet Rast,
Wie er ins liebe Aermlein sinckt
Neun Lebenstäg und Kräfte trinckt.
Und dir kehrt neues Jugendglück,
Deine Schalckheit kehrt dir zurück.
Mit Necken und manchen Schelmereyen
Wirst ihn bald nagen, bald erfreuen,
So wird die Liebe nimmer alt,
Und wird der dichter nimmer kalt!
Wie er so heimlich glücklich lebt,
Dadroben in den Wolcken schwebt,
Ein Eichkranz ewig jung belaubt
Den setzt die Nachwelt ihm aufs Haupt,
In Froschpfuhl all das Volck verbannt
Das seinen Meister je verkannt.

Handschriften und Drucke

Sigle Titel Überlieferungsform
🚧 oS Erklärung eines alten Hol … Konzept, Bruchstück
🚧 - Erklärung eines alten Hol … Abschrift
🚧 🚧 🚧 🚧
🚧 Hagen-Nr. 545 Der Teutsche Merkur vom J … Druck
🚧 H.27a Gedichtsammlung, Abschrif … Abschrift
🚧 s.3 J. W. Goethens Schriften … Druck
🚧 S 8 Goethe’s Schriften. Achte … Druck
🚧 GSA 25/W 2 Vermischte Gedichte, Zwey … 🚧

Kontexte

Relation Bezugsentität Quelle
verfasst von Johann Wolfgang Goethe oS, -, 🚧, H.27a, GSA 25/W 2 , Hagen-Nr. 545, s.3, S 8
datiert auf März/April 1776 Brüning/Henke 2025
datiert auf Anfang 1776 Eibl 1,1059
datiert auf bis 27. April 1776 GB 3.2 A, Nr. 135, 305
datiert auf zwischen dem 27. März und 27. April 1776 MA 2.1, 550
überliefert in 5 Handschriften oS, -, 🚧, H.27a, GSA 25/W 2
überliefert in 3 Drucken Hagen-Nr. 545, s.3, S 8
Teil von Vermischte Gedichte, Zweyte Sammlung GSA 25/W 2
Vorheriger Nachbar in der Überlieferung Christel 🚧
Vorheriger Nachbar in der Überlieferung Monolog des Liebhabers Hagen-Nr. 545
Vorheriger Nachbar in der Überlieferung Mit einem gemahlten Band H.27a
Vorheriger Nachbar in der Überlieferung Künstlers Morgenlied s.3
Vorheriger Nachbar in der Überlieferung Guter Rath S 8, GSA 25/W 2
Nächster Nachbar in der Überlieferung An Lottchen 🚧
Nächster Nachbar in der Überlieferung Der Wandrer s.3
Nächster Nachbar in der Überlieferung Auf Miedings Tod S 8, GSA 25/W 2