Erste Sammlung
Es flattert um die Quelle
Die wechselnde Libelle,
Mich freut sie lange schon;
Bald dunkel und bald helle,
Wie der Cameleon,
Bald roth, bald blau,
Bald blau, bald grün;
O daß ich in der Nähe
Doch ihre Farben sähe!
Sie schwirrt und schwebet, rastet nie!
Doch still, sie setzt sich an die Weiden.
Da hab’ ich sie! da hab’ ich sie!
Und nun betracht’ ich sie genau,
Und seh’ ein traurig-dunkles Blau –
So geht es dir, Zergliedrer deiner Freuden!
Auf Kieseln im Bache da lieg’ ich, wie helle!
Verbreite die Arme der kommenden Welle,
Und buhlerisch drückt sie die sehnende Brust,
Dann führt sie der Leichtsinn im Strome danieder;
Es naht sich die zweyte, sie streichelt mich wieder:
So fühl’ ich die Freuden der wechselnden Lust.
Und doch und so traurig verschleifst du vergebens
Die köstlichen Stunden des eilenden Lebens,
Weil dich das geliebteste Mädchen vergißt.
O ruf’ sie zurücke die vorigen Zeiten!
Es küßt sich so süße die Lippe der zweyten,
Als kaum sich die Lippe der ersten geküßt.
Ach was soll der Mensch verlangen?
Ist es besser ruhig bleiben?
Klammernd fest sich anzuhangen?
Ist es besser sich zu treiben?
Soll er sich ein Häuschen bauen?
Soll er unter Zelten leben?
Soll er auf die Felsen trauen?
Selbst die festen Felsen beben.
Eines schickt sich nicht für alle.
Sehe jeder wie er’s treibe,
Sehe jeder wo er bleibe,
Und wer steht, daß er nicht falle.
Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.
Herz, mein Herz, was soll das geben?
Was bedränget dich so sehr?
Welch ein fremdes, neues Leben?
Ich erkenne dich nicht mehr.
Weg ist alles was du liebtest,
Weg warum du dich betrübtest,
Weg dein Fleiß und deine Ruh’ –
Ach wie kamst du nur dazu?
Fesselt dich die Jugendblüthe,
Diese liebliche Gestalt,
Dieser Blick voll Treu’ und Güte,
Mit unendlicher Gewalt?
Will ich rasch mich ihr entziehen,
Mich ermannen, ihr entfliehen,
Führet mich im Augenblick
Ach! mein Weg zu ihr zurück.
Und an diesem Zauberfädchen,
Das sich nicht zerreißen läßt,
Hält das liebe, lose Mädchen
Mich so wider Willen fest;
Muß in ihrem Zauberkreise
Leben nun auf ihre Weise.
Die Verändrung ach wie groß!
Liebe! Liebe! laß mich los!
Warum ziehst du mich unwiderstehlich
Ach in jene Pracht?
War ich guter Junge nicht so selig
In der öden Nacht!
Heimlich in mein Zimmerchen verschlossen,
Lag im Mondenschein
Ganz von seinem Schauerlicht umflossen,
Und ich dämmert’ ein;
Träumte da von vollen goldnen Stunden
Ungemischter Lust,
Hatte schon dein liebes Bild empfunden
Tief in meiner Brust.
Bin ich’s noch, den du bey so viel Lichtern
An dem Spieltisch hältst,
Oft so unerträglichen Gesichtern
Gegen über stellst?
Reitzender ist mir des Frühlings Blüthe
Nun nicht auf der Flur;
Wo du, Engel, bist, ist Lieb’ und Güte,
Wo du bist, Natur.
Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüthen
Aus jedem Zweig,
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch,
Und Freud’ und Wonne
Aus jeder Brust.
O Erd’! o Sonne!
O Glück! o Lust!
O Lieb’! o Liebe!
So golden-schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn!
Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blüthendampfe
Die volle Welt.
O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb’ ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!
So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,
Wie ich dich liebe
Mit warmen Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud’ und Muth
Zu neuen Liedern
Und Tänzen giebst.
Sey ewig glücklich,
Wie du mich liebst!
Kleine Blumen, kleine Blätter
Streuen mir mit leichter Hand
Gute junge Frühlings-Götter
Tändelnd auf ein luftig Band.
Zephyr, nimm’s auf deine Flügel,
Schling’s um meiner Liebsten Kleid;
Und so tritt sie vor den Spiegel
All in ihrer Munterkeit,
Sieht mit Rosen sich umgeben,
Selbst wie eine Rose jung.
Einen Blick, geliebtes Leben,
Und ich bin belohnt genung.
Fühle was dieß Herz empfindet,
Reiche frey mir deine Hand,
Und das Band, das uns verbindet,
Sey kein schwaches Rosen-Band!
Dir darf dieß Blatt ein Kettchen bringen,
Das, ganz zur Biegsamkeit gewöhnt,
Sich mit viel hundert kleinen Schlingen
Um deinen Hals zu schmiegen sehnt.
Gewähr dem Närrchen die Begierde,
Sie ist voll Unschuld, ist nicht kühn;
Am Tag ist’s eine kleine Zierde,
Am Abend wirfst du’s wieder hin.
Doch bringt dir einer jene Kette,
Die schwerer drückt und ernster faßt;
Verdenk’ ich dir es nicht, Lisette,
Wenn du ein klein Bedenken hast.
Mitten im Getümmel mancher Freuden,
Mancher Sorgen, mancher Herzensnoth,
Denk’ ich dein, o Lottchen, denken dein die beyden,
Wie beym stillen Abendroth
Du die Hand uns freundlich reichtest,
Da du uns auf reichbebauter Flur,
In dem Schooße herrlicher Natur,
Manche leicht verhüllte Spur
Einer lieben Seele zeigtest.
Wohl ist mir’s, daß ich dich nicht verkannt,
Daß ich gleich dich in der ersten Stunde,
Ganz den Herzensausdruck in dem Munde,
Dich ein wahres gutes Kind genannt.
Still und eng und ruhig auferzogen,
Wirft man uns auf Einmal in die Welt,
Uns umspülen hunderttausend Wogen,
Alles reitzt uns, mancherley gefällt,
Mancherley verdrießt uns, und von Stund’ zu Stunden
Schwankt das leichtunruhige Gefühl,
Wir empfinden, und was wir empfunden,
Spült hinweg das bunte Weltgewühl.
Wohl, ich weiß es, da durchschleicht uns innen
Manche Hoffnung, mancher Schmerz.
Lottchen, wer kennt unsre Sinnen?
Lottchen, wer kennt unser Herz?
Ach es möchte gern gekannt seyn, überfließen
In das Mitempfinden einer Kreatur,
Und vertrauend zwiefach neu genießen
Alles Leid und Freude der Natur.
Und da sucht das Aug’ oft so vergebens
Ringsumher, und findet alles zu;
So vertaumelt sich der schönste Theil des Lebens
Ohne Sturm und ohne Ruh’;
Und zu deinem ew’gen Unbehagen
Stößt dich heute, was dich gestern zog.
Kannst du zu der Welt nur Neigung tragen,
Die so oft dich trog,
Und bey deinem Weh, bey deinem Glücke,
Blieb in eigenwill’ger, starrer Ruh’?
Sieh, da tritt der Geist in sich zurücke,
Und das Herz – es schließt sich zu.
So fand ich dich und ging dir frey entgegen.
O sie ist werth zu seyn geliebt!
Rief ich, erflehte dir des Himmels reinsten Segen,
Den er dir nun in deiner Freundinn giebt.