Amor als Landschaftsmahler

»Saß ich früh auf einer Felsenspitze …«

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Gedicht
Titel (normiert, vorläufig)
Amor als Landschaftsmahler
Gedichtanfang (normiert, vorläufig)
»Saß ich früh auf einer Felsenspitze …«
Quelle der vorläufigen Titeldaten
WA I 2,182
Kennung in der Forschungsdatenbank so:fie
93473
Kennung in der Gemeinsamen Normdatei
1270650521

Fassungen aus dem Bereich »Texte«

Amor ein Landschaftsmahler

Saß ich früh auf einer Felsenspitze,

Sah mit starren Augen in den Nebel,

Wie ein grau grundirtes Tuch gespannet,

Deckt’ er alles in die Breit’ und Höhe.

Stellt’ ein Knabe sich mir an die Seite,

Sagte: Lieber Freund, wie magst du starrend

Auf das leere Tuch gelassen schauen?

Hast du denn zum Mahlen und zum Bilden

Alle Lust auf ewig wohl verloren?

Sah ich an das Kind, und dachte heimlich:

Will das Bübchen doch den Meister machen!

Willst du immer trüb’ und müßig bleiben,

Sprach der Knabe, kann nichts kluges werden:

Sieh, ich will dir gleich ein Bildchen mahlen,

Dich ein hübsches Bildchen mahlen lehren.

Und er richtete den Zeigefinger,

Der so röthlich war wie eine Rose,

Nach dem weiten ausgespannten Teppich,

Fing mit seinem Finger an zu zeichnen:

Oben mahlt’ er eine schöne Sonne,

Die mir in die Augen mächtig glänzte,

Und den Saum der Wolken macht’ er golden,

Ließ die Strahlen durch die Wolken dringen;

Mahlte dann die zarten leichten Wipfel

Frisch erquickter Bäume, zog die Hügel,

Einen nach dem andern frey dahinter;

Unten ließ er’s nicht an Wasser fehlen,

Zeichnete den Fluß so ganz natürlich,

Daß er schien im Sonnenstrahl zu glitzern,

Daß er schien am hohen Rand zu rauschen.

Ach da standen Blumen an dem Flusse,

Und da waren Farben auf der Wiese,

Gold und Schmelz und Purpur und ein Grünes,

Alles wie Schmaragd und wie Karfunkel!

Hell und rein lasirt er drauf den Himmel,

Und die blauen Berge fern und ferner:

Daß ich ganz entzückt und neu geboren

Bald den Mahler, bald das Bild beschaute.

Hab’ ich doch, so sagt’ er, dir bewiesen,

Daß ich dieses Handwerk gut verstehe;

Doch es ist das schwerste noch zurücke.

Zeichnete darnach mit spitzem Finger

Und mit großer Sorgfalt an dem Wäldchen,

G’rad’ an’s Ende, wo die Sonne kräftig

Von dem hellen Boden wiederglänzte,

Zeichnete das allerliebste Mädchen,

Wohlgebildet, zierlich angekleidet,

Frische Wangen unter braunen Haaren,

Und die Wangen waren von der Farbe,

Wie das Fingerchen, das sie gebildet.

O du Knabe, rief ich, welch ein Meister

Hat in seine Schule dich genommen,

Daß du so geschwind und so natürlich

Alles klug beginnst und gut vollendest?

Da ich noch so rede, sieh, da rühret

Sich ein Windchen, und bewegt die Gipfel,

Kräuselt alle Wellen auf dem Flusse,

Füllt den Schleyer des vollkommnen Mädchens,

Und, was mich Erstaunten mehr erstaunte,

Fängt das Mädchen an den Fuß zu rühren,

Geht zu kommen, nähert sich dem Orte,

Wo ich mit dem losen Lehrer sitze.

Da nun alles, alles sich bewegte,

Bäume, Fluß und Blumen und der Schleyer

Und der zarte Fuß der Allerschönsten;

Glaubt ihr wohl, ich sey auf meinem Felsen,

Wie ein Felsen, still und fest geblieben?

Historisch überlieferte Fassungen

Amor ein Landschaftsmahler.

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Saß ich früh auf einer Felsenspitze,
Sah mit starren Augen in den Nebel,
Wie ein grau grundirtes Tuch gespannet,
Deckt’ er alles in die Breit’ und Höhe.
Stellt’ ein Knabe sich mir an die Seite,
Sagte: Lieber Freund, wie magst du starrend
Auf das leere Tuch gelassen schauen?
Hast du denn zum Mahlen und zum Bilden
Alle Lust auf ewig wohl verloren?
Sah ich an das Kind, und dachte heimlich:
Will das Bübchen doch den Meister machen!
Willst du immer trüb’ und müßig bleiben,
Sprach der Knabe, kann nichts kluges werden:
Sieh, ich will dir gleich ein Bildchen mahlen,
Dich ein hübsches Bildchen mahlen lehren.
Und er richtete den Zeigefinger,
Der so röthlich war wie eine Rose,
Nach dem weiten ausgespannten Teppich,
Fing mit seinem Finger an zu zeichnen:
Oben mahlt’ er eine schöne Sonne,
Die mir in die Augen mächtig glänzte,
Und den Saum der Wolken macht’ er golden,
Ließ die Strahlen durch die Wolken dringen;
Mahlte dann die zarten leichten Wipfel
Frisch erquickter Bäume, zog die Hügel,
Einen nach dem andern frey dahinter;
Unten ließ er’s nicht an Wasser fehlen,
Zeichnete den Fluß so ganz natürlich,
Daß er schien im Sonnenstrahl zu glitzern,
Daß er schien am hohen Rand zu rauschen.
Ach da standen Blumen an dem Flusse,
Und da waren Farben auf der Wiese,
Gold und Schmelz und Purpur und ein Grünes,
Alles wie Schmaragd und wie Karfunkel!
Hell und rein lasirt er drauf den Himmel,
Und die blauen Berge fern und ferner:
Daß ich ganz entzückt und neu geboren
Bald den Mahler, bald das Bild beschaute.
Hab’ ich doch, so sagt’ er, dir bewiesen,
Daß ich dieses Handwerk gut verstehe;
Doch es ist das schwerste noch zurücke.
Zeichnete darnach mit spitzem Finger
Und mit großer Sorgfalt an dem Wäldchen,
G’rad’ an’s Ende, wo die Sonne kräftig
Von dem hellen Boden wiederglänzte,
Zeichnete das allerliebste Mädchen,
Wohlgebildet, zierlich angekleidet,
Frische Wangen unter braunen Haaren,
Und die Wangen waren von der Farbe,
Wie das Fingerchen, das sie gebildet.
O du Knabe, rief ich, welch ein Meister
Hat in seine Schule dich genommen,
Daß du so geschwind und so natürlich
Alles klug beginnst und gut vollendest?
Da ich noch so rede, sieh, da rühret
Sich ein Windchen, und bewegt die Gipfel,
Kräuselt alle Wellen auf dem Flusse,
Füllt den Schleyer des vollkommnen Mädchens,
Und, was mich Erstaunten mehr erstaunte,
Fängt das Mädchen an den Fuß zu rühren,
Geht zu kommen, nähert sich dem Orte,
Wo ich mit dem losen Lehrer sitze.
Da nun alles, alles sich bewegte,
Bäume, Fluß und Blumen und der Schleyer
Und der zarte Fuß der Allerschönsten;
Glaubt ihr wohl, ich sey auf meinem Felsen,
Wie ein Felsen, still und fest geblieben?
Saß ich früh auf einer Felsenspitze
Sah mit starren Augen in den Nebel
Wie ein grau grundirtes Buch Tuch gespannet
Deckt er alles in die Breit' und Höhe.
Stellt' ein Knabe sich mir an die Seite
Sagte: lieber Freund wie magst du starrend
Auf das leere Tuch gelaßen schauen
Hast du denn zum Mahlen und zum Bilden
Alle Lust auf ewig wohl verlohren?
Sah ich an das Kind und dachte heimlich
Will das Bübchen doch den Meister machen!
Willst du immer trüb und müßig bleiben?
Sprach der Knabe; kann nichts kluges werden.
Sieh ich will dir gleich ein Bilchen Bildchen mahlen,
Dich ein hübsches Bildchen mahlen lehren.
Da ich noch so rede, sieh da rühret
Sich ein Windchen und bewegt die Gipfel
Kräußelt alle Wellen auf dem Fluße,
Füllt den Schleyer des vollkommen Mädchens,
Und was mich erstaunten Erstaunten mehr erstaunte
Fängt das Mädchen an den Fuß zu rühren,
Geht zu kommen, nährt nähert sich dem Orte
Wo ich mit dem losen Lehrer sitze.
Da nun alles alles sich bewegte,
Bäume, Fluß und Blumen und der Schleyer
Und der zarte Fuß der allerschönsten Allerschönsten ;
Glaubt ihr wohl ich sey auf meinem Felsen,
Wie ein Felsen, still und fest geblieben.

Amor ein MahlerLandschaftsmahler.

Zur synoptischen Ansicht wechseln

Saß ich früh auf einer Felsenspitze,
Sah mit starren Augen in den Nebel,
Wie ein grau grundirtes Tuch gespannet
Deckt’ er alles in die Breit’ und Höhe.
Stellt’ ein Knabe sich mir an die Seite,
Sagte: Lieber Freund, wie magst du starrend
Auf das leere Tuch gelassen schauen?
Hast du denn zum Mahlen und zum Bilden
Alle Lust auf ewig wohl verlohren?
Sah ich an das Kind, und dachte heimlich
Will das Bübchen doch den Meister machen!
Willst du immer trüb und müssig bleiben,
Sprach der Knabe ; , kann nichts kluges werden.
Sieh, ich will dir gleich ein Bildchen mahlen,
Dich ein hübsches Bildchen mahlen lehren.
Und er richtete den Zeigefinger
Der so röthlich war wie eine Rose
Nach dem weiten ausgespannten Teppich,
Fing mit seinem Finger an zu zeichnen.
Oben mahlt er eine schöne Sonne,
Die mir in die Augen mächtig glänzte,
Und den Saum der Wolken macht er golden,
Ließ die Strahlen durch die Wolken dringen.
Mahlte dann die zarten, leichten Wipfel
Frisch erquickter Bäume, zog die Hügel
Einen nach dem andern frey dahinter.
Unten ließ ers nicht an Wasser fehlen,
Zeichnete den Fluß so ganz natürlich
Daß er schien im Sonnenstrahl zu glitzern,
Daß er schien am hohen Rand zu rauschen.
Ach da standen Blumen an dem Fluße,
Und da waren Farben auf der Wiese
Gold und Schmelz und Purpur und ein Grünes
Alles wie Schmaragd und wie Karfunkel!
Hell und rein lassirt lasirt er drauf den Himmel
Und die blauen Berge fern und ferner.:
Daß ich ganz entzückt und neugebohren
Bald den Mahler bald das Bild beschaute.
Hab' ich doch, so sagt' er, dir bewiesen
Daß ich dieses Handwerk gut verstehe;
Doch es ist das schwerste noch zurücke.
Zeichnete darnach mit spitzem Finger
Und mit großer Sorgfalt, an dem Wäldchen,
Grad ans Ende wo die Sonne kräftig
Von dem hellen Boden wiederglänzte,
Zeichnete das allerliebste Mädchen,
Wohlgebildet, zierlich angekleidet,
Frische Wangen unter braunen Haaren,
Und die Wangen waren von der Farbe
Wie das Fingerchen das sie gebildet.
O du Knabe, rief ich, welch ein Meister
Hat in seine Schule dich genommen,
Daß du so geschwind und so natürlich
Alles klug beginnst und gut vollendest?
Da ich noch so rede, sieh da rühret
Sich ein Windchen und bewegt die Gipfel
Kräuselt alle Wellen auf dem Fluße,
Füllt den Schleyer des vollkommnen Mädchens,
Und was mich Erstaunten mehr erstaunte
Fängt das Mädchen an, den Fuß zu rühren,
Geht zu kommen, nähert sich dem Orte
Wo ich mit dem losen Lehrer sitze.
Da nun alles alles sich bewegte,
Bäume, Fluß und Blumen und der Schleyer
Und der zarte Fuß der Allerschönsten;
Glaubt ihr wohl, ich sey auf meinem Felsen
Wie ein Felsen, still und fest geblieben?

Handschriften und Drucke

Sigle Titel Überlieferungsform
🚧 S 8 Goethe’s Schriften. Achte … Druck
🚧 H.3 Vermischte Gedichte, Erst … Reinschrift
🚧 GSA 25/W 2 Vermischte Gedichte, Zwey … 🚧

Kontexte

Relation Bezugsentität Quelle
verfasst von Johann Wolfgang Goethe H.3, GSA 25/W 2 , S 8
hat Bezug zu Kräuter, Keilschen H.3
datiert auf Herbst 1787 Brüning/Henke 2025
datiert auf Herbst 1787 MA 3.2, 434
überliefert in 2 Handschriften H.3, GSA 25/W 2
überliefert in Druck S 8
Teil von Vermischte Gedichte, Erste Sammlung H.3
Teil von Vermischte Gedichte, Zweyte Sammlung GSA 25/W 2
Vorheriger Nachbar in der Überlieferung Künstlers Morgenlied S 8, GSA 25/W 2
Vorheriger Nachbar in der Überlieferung Liebebedürfniß H.3
Nächster Nachbar in der Überlieferung Künstlers Abendlied S 8, GSA 25/W 2
Nächster Nachbar in der Überlieferung Der Becher H.3