Zweyte Sammlung
Selig bist du, liebe Kleine,
Die du auf der Bäume Zweigen,
Von geringem Trank begeistert,
Singend, wie ein König lebest!
Dir gehöret eigen alles,
Was du auf den Feldern siehest,
Alles, was die Stunden bringen;
Lebest unter Ackersleuten,
Ihre Freundinn, unbeschädigt,
Du den Sterblichen verehrte,
Süßen Frühlings süßer Bothe!
Ja, dich lieben alle Musen,
Phöbus selber muß dich lieben,
Gaben dir die Silberstimme,
Dich ergreifet nie das Alter,
Weise, zarte, Dichterfreundinn,
Ohne Fleisch und Blut geborne,
Leidenlose Erdentochter,
Fast den Göttern zu vergleichen.
Als Minerva jenen Liebling,
Den Prometheus, zu begünst’gen,
Eine volle Nektarschale
Von dem Himmel niederbrachte,
Seine Menschen zu beglücken,
Und den Trieb zu holden Künsten
Ihrem Busen einzuflößen;
Eilte sie mit schnellen Füßen,
Daß sie Jupiter nicht sähe;
Und die goldne Schale schwankte,
Und es fielen wenig Tropfen
Auf den grünen Boden nieder.
Emsig waren drauf die Bienen
Hinterher, und saugten fleißig;
Kam der Schmetterling geschäftig,
Auch ein Tröpfchen zu erhaschen;
Selbst die ungestalte Spinne
Kroch herbey und sog gewaltig.
Glücklich haben sie gekostet,
Sie und andre zarte Thierchen!
Denn sie theilen mit dem Menschen
Nun das schönste Glück, die Kunst.
Gott segne dich, junge Frau,
Und den säugenden Knaben
An deiner Brust!
Laß mich an der Felsenwand hier,
In des Ulmbaums Schatten
Meine Bürde werfen,
Neben dir ausruhn.
Welch Gewerbe treibt dich
Durch des Tages Hitze
Den staubigen Pfad her?
Bringst du Waren aus der Stadt
Im Land herum?
Lächelst, Fremdling,
Über meine Frage?
Keine Waren bring’ ich aus der Stadt:
Kühl wird nun der Abend.
Zeige mir den Brunnen,
Draus du trinkest,
Liebes junges Weib.
Hier den Felsenpfad hinauf.
Geh voran. Durch’s Gebüsche
Geht der Pfad nach der Hütte,
Drin ich wohne,
Zu dem Brunnen,
Den ich trinke.
Spuren ordnender Menschenhand
Zwischen dem Gesträuch!
Diese Steine hast du nicht gefügt,
Reichhinstreuende Natur!
Weiter hinauf.
Von dem Moos gedeckt ein Architrav!
Ich erkenne dich, bildender Geist!
Hast dein Siegel in den Stein geprägt.
Weiter, Fremdling!
Eine Inschrift, über die ich trete!
Nicht zu lesen!
Weggewandelt seyd ihr,
Tiefgegrabne Worte,
Die ihr eures Meisters Andacht
Tausend Enkeln zeigen solltet.
Staunest, Fremdling,
Diese Stein’ an?
Droben sind der Steine viel
Um meine Hütte.
Droben?
Gleich zur Linken
Durch’s Gebüsch hinan;
Hier.
Ihr Musen und Grazien!
Das ist meine Hütte.
Eines Tempels Trümmern!
Hier zur Seit’ hinab
Quillt der Brunnen,
Den ich trinke.
Glühend webst du
Über deinem Grabe,
Genius! Über dir
Ist zusammengestürzt
Dein Meisterstück,
O du Unsterblicher!
Wart’, ich hohle das Gefäß
Dir zum Trinken.
Epheu hat deine schlanke
Götterbildung umkleidet.
Wie du emporstrebst
Aus dem Schutte,
Säulenpaar!
Und du einsame Schwester dort,
Wie ihr,
Düstres Moos auf dem heiligen Haupt,
Majestätisch trauernd herabschaut,
Auf die zertrümmerten
Zu euern Füßen,
Eure Geschwister!
In des Brombeergesträuches Schatten
Deckt sie Schutt und Erde,
Und hohes Gras wankt drüber hin!
Schätzest du so, Natur,
Deines Meisterstücks Meisterstück?
Unempfindlich zertrümmerst du
Dein Heiligthum?
Säest Disteln drein?
Wie der Knabe schläft!
Willst du in der Hütte ruhn,
Fremdling? willst du hier
Lieber in dem Freyen bleiben?
Es ist kühl! Nimm den Knaben,
Daß ich Wasser schöpfen gehe.
Schlafe, Lieber! schlaf!
Süß ist deine Ruh!
Wie’s in himmlischer Gesundheit
Schwimmend, ruhig athmet!
Du, geboren über Resten
Heiliger Vergangenheit,
Ruh’ ihr Geist auf dir!
Welchen der umschwebt,
Wird in Götterselbstgefühl,
Jedes Tags genießen.
Voller Keim blüh’ auf,
Des glänzenden Frühlings
Herrlicher Schmuck,
Und leuchte vor deinen Gesellen!
Und welkt die Blüthenhülle weg,
Dann steig’ aus deinem Busen
Die volle Frucht,
Und reife der Sonn’ entgegen!
Gesegne’s Gott! – Und schläft er noch?
Ich habe nichts zum frischen Trunk
Als ein Stück Brot, das ich dir biethen kann.
Ich danke dir.
Wie herrlich alles blüht umher
Und grünt!
Mein Mann wird bald
Nach Hause seyn
Vom Feld. O bleibe, bleibe, Mann,
Und iß mit uns das Abendbrot.
Ihr wohnet hier?
Da, zwischen dem Gemäuer her.
Die Hütte baute noch mein Vater
Aus Ziegeln und des Schuttes Steinen.
Hier wohnen wir.
Er gab mich einem Ackersmann,
Und starb in unsern Armen.
Hast du geschlafen, liebes Herz?
Wie er munter ist, und spielen will!
Du Schelm!
Natur! du ewig keimende,
Schaffst jeden zum Genuß des Lebens,
Hast deine Kinder alle mütterlich
Mit Erbtheil ausgestattet, einer Hütte.
Hoch baut die Schwalb’ an das Gesims,
Unfühlend, welchen Zierath
Sie verklebt.
Die Raup’ umspinnt den goldnen Zweig
Zum Winterhaus für ihre Brut;
Und du flickst zwischen der Vergangenheit
Erhabne Trümmer
Für deine Bedürfniß’
Eine Hütte, o Mensch,
Genießest über Gräbern! –
Leb wohl, du glücklich Weib!
Du willst nicht bleiben?
Gott erhalt’ euch,
Segn’ euern Knaben!
Glück auf den Weg!
Wohin führt mich der Pfad
Dort über’n Berg?
Nach Cuma.
Wie weit ist’s hin?
Drey Meilen gut.
Leb wohl!
O leite meinen Gang, Natur!
Den Fremdlings Reisetritt,
Den über Gräber
Heiliger Vergangenheit,
Ich wandle.
Leit ihn zum Schutzort,
Vor’m Nord gedeckt,
Und wo dem Mittagsstrahl
Ein Pappelwäldchen wehet.
Und kehr’ ich dann
Am Abend heim
Zur Hütte,
Vergoldet vom letzten Sonnenstrahl;
Laß mich empfangen solch ein Weib,
Den Knaben auf dem Arm!
Der Tempel ist euch aufgebaut,
Ihr hohen Musen all,
Und hier in meinem Herzen ist
Das Allerheiligste.
Wenn Morgens mich die Sonne weckt,
Warm, froh ich schau’ umher,
Steht rings ihr ewig lebenden
In heil’gem Morgenglanz.
Ich bet’ hinan, und Lobgesang
Ist lauter mein Gebet,
Und freudeklingend Saitenspiel
Begleitet mein Gebet.
Ich trete vor den Altar hin,
Und lese, wie sich’s ziemt,
Andacht liturg’scher Lection
Im heiligen Homer.
Und wenn er in’s Getümmel mich
Von Löwenkriegern reißt,
Und Göttersöhn’ auf Wägen hoch
Rachglühend stürmen an,
Und Roß dann vor dem Wagen stürzt,
Und drunter und drüber sich
Freund’, Feinde wälzen in Todesblut –
Er sengte sie dahin
Mit Flammenschwert der Heldensohn,
Zehntausend auf einmal,
Bis dann auch er, gebändiget
Von einer Götterhand,
Ab auf den Rogus niederstürzt,
Den er sich selbst gehäuft,
Und Feinde nun den schönen Leib
Verschändend tasten an:
Da greif’ ich muthig auf, es wird
Die Kohle zum Gewehr,
Und jene meine hohe Wand
In Schlachtfeld-Wogen braus’t.
Hinan! Hinan! Es heulet laut
Gebrüll der Feindeswuth,
Und Schild an Schild, und Schwert auf Helm,
Und nun den Todten Tod.
Ich dränge mich hinan, hinan,
Da kämpfen sie um ihn,
Die tapfern Freunde, tapferer
In ihrer Thränenwuth.
Ach rettet! Kämpfet! Rettet ihn!
In’s Lager tragt ihn fort,
Und Balsam gießt den Todten auf,
Und Thränen Todten Ehr!
Und find’ ich mich zurück hierher,
Empfängst du, Liebe, mich,
Mein Mädchen, ach, im Bilde nur,
Und so im Bilde warm!
Ach wie du ruhtest neben mir,
Und schmachtetest mich an,
Und mir’s vom Aug’ durch’s Herz hindurch
Zum Griffel schmachtete!
Wie ich an Aug’ und Wange mich
Und Mund mich weidete,
Und mir’s im Busen jung und frisch,
Wie einer Gottheit, war!
O kehre doch und bleibe dann
In meinen Armen fest,
Und keine, keine Schlachten mehr,
Nur dich in meinem Arm;
Und sollst mir, meine Liebe, seyn,
Alldeutend Ideal,
Madonna seyn, ein Erstlingskind,
Ein heiligs an der Brust;
Und haschen will ich, Nymphe, dich,
Im tiefen Waldgebüsch;
O fliehe nicht die rauhe Brust,
Mein aufgerecktes Ohr!
Und liegen will ich Mars zu dir,
Du Liebesgöttin stark,
Und ziehn ein Netz um uns herum,
Und rufen dem Olymp,
Wer von den Göttern kommen will,
Beneiden unser Glück,
Und soll’s die Fratze Eifersucht
An Bettfuß angebannt.
Saß ich früh auf einer Felsenspitze,
Sah mit starren Augen in den Nebel,
Wie ein grau grundirtes Tuch gespannet,
Deckt’ er alles in die Breit’ und Höhe.
Stellt’ ein Knabe sich mir an die Seite,
Sagte: Lieber Freund, wie magst du starrend
Auf das leere Tuch gelassen schauen?
Hast du denn zum Mahlen und zum Bilden
Alle Lust auf ewig wohl verloren?
Sah ich an das Kind, und dachte heimlich:
Will das Bübchen doch den Meister machen!
Willst du immer trüb’ und müßig bleiben,
Sprach der Knabe, kann nichts kluges werden:
Sieh, ich will dir gleich ein Bildchen mahlen,
Dich ein hübsches Bildchen mahlen lehren.
Und er richtete den Zeigefinger,
Der so röthlich war wie eine Rose,
Nach dem weiten ausgespannten Teppich,
Fing mit seinem Finger an zu zeichnen:
Oben mahlt’ er eine schöne Sonne,
Die mir in die Augen mächtig glänzte,
Und den Saum der Wolken macht’ er golden,
Ließ die Strahlen durch die Wolken dringen;
Mahlte dann die zarten leichten Wipfel
Frisch erquickter Bäume, zog die Hügel,
Einen nach dem andern frey dahinter;
Unten ließ er’s nicht an Wasser fehlen,
Zeichnete den Fluß so ganz natürlich,
Daß er schien im Sonnenstrahl zu glitzern,
Daß er schien am hohen Rand zu rauschen.
Ach da standen Blumen an dem Flusse,
Und da waren Farben auf der Wiese,
Gold und Schmelz und Purpur und ein Grünes,
Alles wie Schmaragd und wie Karfunkel!
Hell und rein lasirt er drauf den Himmel,
Und die blauen Berge fern und ferner:
Daß ich ganz entzückt und neu geboren
Bald den Mahler, bald das Bild beschaute.
Hab’ ich doch, so sagt’ er, dir bewiesen,
Daß ich dieses Handwerk gut verstehe;
Doch es ist das schwerste noch zurücke.
Zeichnete darnach mit spitzem Finger
Und mit großer Sorgfalt an dem Wäldchen,
G’rad’ an’s Ende, wo die Sonne kräftig
Von dem hellen Boden wiederglänzte,
Zeichnete das allerliebste Mädchen,
Wohlgebildet, zierlich angekleidet,
Frische Wangen unter braunen Haaren,
Und die Wangen waren von der Farbe,
Wie das Fingerchen, das sie gebildet.
O du Knabe, rief ich, welch ein Meister
Hat in seine Schule dich genommen,
Daß du so geschwind und so natürlich
Alles klug beginnst und gut vollendest?
Da ich noch so rede, sieh, da rühret
Sich ein Windchen, und bewegt die Gipfel,
Kräuselt alle Wellen auf dem Flusse,
Füllt den Schleyer des vollkommnen Mädchens,
Und, was mich Erstaunten mehr erstaunte,
Fängt das Mädchen an den Fuß zu rühren,
Geht zu kommen, nähert sich dem Orte,
Wo ich mit dem losen Lehrer sitze.
Da nun alles, alles sich bewegte,
Bäume, Fluß und Blumen und der Schleyer
Und der zarte Fuß der Allerschönsten;
Glaubt ihr wohl, ich sey auf meinem Felsen,
Wie ein Felsen, still und fest geblieben?
Ach, daß die innre Schöpfungskraft
Durch meinen Sinn erschölle!
Daß eine Bildung voller Saft
Aus meinen Fingern quölle!
Ich zittre nur, ich stottre nur,
Und kann es doch nicht lassen;
Ich fühl’, ich kenne dich, Natur,
Und so muß ich dich fassen.
Bedenk’ ich dann, wie manches Jahr
Sich schon mein Sinn erschließet,
Wie er, wo dürre Haide war,
Nun Freudenquell genießet;
Wie sehn’ ich mich, Natur, nach dir,
Dich treu und lieb zu fühlen!
Ein lust’ger Springbrunn, wirst du mir
Aus tausend Röhren spielen.
Wirst alle meine Kräfte mir
In meinem Sinn erheitern,
Und dieses enge Daseyn mir
Zur Ewigkeit erweitern.
Gut! brav mein Herr! Allein
Die linke Seite
Nicht ganz gleich der rechten;
Hier scheint es mir zu lang,
Und hier zu breit,
Hier zuckt’s ein wenig,
Und die Lippe
Nicht ganz Natur,
So todt noch alles!
O rathet! Helft mir,
Daß ich mich vollende!
Wo ist der Urquell der Natur,
Daraus ich schöpfend
Himmel fühl’ und Leben
In die Fingerspitzen hervor?
Daß ich mit Göttersinn
Und Menschenhand
Vermöge zu bilden,
Was bey meinem Weib
Ich animalisch kann und muß.
Da sehen Sie zu.
So!
Ich führt’ einen Freund zum Maidel jung,
Wollt’ ihm zu genießen geben,
Was alles es hätt’ gar Freud’ genung
Frisch junges warmes Leben.
Wir fanden sie sitzen an ihrem Bett,
Thät’ sich auf ihr Händlein stützen.
Der Herr der macht’ ihr ein Compliment,
Thät’ gegen ihr über sitzen.
Er spitzt die Nase, er sturt sie an,
Betracht sie herüber, hinüber:
Und um mich war’s gar bald gethan,
Die Sinnen gingen mir über.
Der liebe Herr für allen Dank
Führt mich drauf in eine Ecken,
Und sagt, sie wär’ doch allzu schlank,
Und hätt’ auch Sommerflecken.
Da nahm ich von meinem Kind Adieu,
Und scheidend sah ich in die Höh:
Ach Herre Gott, ach Herre Gott,
Erbarm dich doch des Herren!
Da führt’ ich ihn in die Gallerie
Voll Menschenglut und Geistes;
Mir wird’s da gleich, ich weiß nicht wie,
Mein ganzes Herz zerreißt es.
O Mahler! Mahler! rief ich laut,
Belohn’ dir Gott dein Mahlen!
Und nur die allerschönste Braut
Kann dich für uns bezahlen.
Und sieh, da ging mein Herr herum,
Und stochert sich die Zähne,
Registrirt in Catalogum,
Mir meine Göttersöhne.
Mein Busen war so voll und bang,
Von hundert Welten trächtig;
Ihm war bald was zu kurz, zu lang,
Wägt’ alles gar bedächtig.
Da warf ich in ein Eckchen mich,
Die Eingeweide brannten.
Um ihn versammelten Männer sich,
Die ihn einen Kenner nannten.
Was nutzt die glühende Natur
Vor deinen Augen dir,
Was nutzt dir das Gebildete
Der Kunst rings um dich her,
Wenn liebevolle Schöpfungskraft
Nicht deine Seele füllt
Und in den Fingerspitzen dir
Nicht wieder bildend wird?
Geschieht wohl, daß man einen Tag
Weder sich noch andre leiden mag,
Will nichts dir nach dem Herzen ein;
Sollt’s in der Kunst wohl anders seyn?
Drum hetze dich nicht zur schlimmen Zeit,
Denn Füll’ und Kraft sind nimmer weit:
Hast in der bösen Stund’ geruht,
Ist dir die gute doppelt gut.